Rollenvorbild: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm

Wie wachsen unsere Kinder heute z.b. in Berlin auf? Was ist ihr täglicher Kontext? Was passiert ganz unscheinbar, ohne bewusste Entscheidungen, wie nebenbei jeden Tag in ihrer Kinderwelt? Wie sieht unsere Lebensart aus, die sie beobachten und einatmen, wieder und immer wieder bis sie es als das Normalste von der Welt ansehen?

Die Sozialisation meines Kindes

…ist einer der massivsten und nachhaltigsten Faktoren der Persönlichkeitsentwicklung. Wir Erwachsenen, die mit unseren Kindern die Wohnung und den Alltag über viele Jahre teilen sind Beispiel und Vorbild. Unsere Kinder sind ganz offen und bereit, sie vertrauen sich bedingungslos an. Daraus ergibt sich unsere Verantwortung. Auch später, wenn die Kinder zu Jugendlichen werden. Dann sind wir eher Sparringpartner. Scheinbar werden wir von 15-Jährigen abgelehnt und manchmal gehasst. Sie brauchen etwas, was sie überwinden können. Durch die Reibung fühlen sie, dass sie ein ganz eigener Mensch sind, mit eigenem Willen, auch wenn sie nicht immer die Macht haben ihn umzusetzen.

neugierige Jugendliche

Immer wieder fragen sie uns (ohne Worte): Wie geht das Leben? Immer wieder ist unsere Aufrichtigkeit gefragt. Und längst nicht immer wissen wir wie „das Leben“ geht. Sowieso sind unsere Wege und Lösungen „nur“ unsere, die der Erwachsenen. Aus unserer (scheinbar vernünftigen) Perspektive auf das Leben.

Eigene Wege und Lösungen

Ist es nicht faszinierend, wenn Kinder früh beginnen eigene Wege und Lösungen zu entwickeln? Wenn sie ein Gespür für ihre schöpferische Kraft, ihren Erfindungsreichtum bekommen. Anfangs noch unsicher, und wenn wir sie nicht stören, immer sicherer. Ihre Neugier ist riesig. Sie brauchen Gelegenheiten mit sich selbst und ihrer schöpferischen Kraft in Kontakt zu kommen. Langeweile (mal kein TV, PC, Animation…) ist eine ideale Vorraussetzung hierfür. Sie brauchen nicht unbedingt ein Lob, eher einen freundlichen Blick, der ihnen sagt: du bist in Ordnung! Und ein ganz einzigartiger Mensch. Ich vertraue dir und bin sicher, du wirst deine eigene Lösung finden. Wenn sie erleben, dass Humor und Gelassenheit in ihrer Familie vorkommen, und die Erwachsenen nicht dauernd ein Konzept vom „idealen Leben“ vor sich her tragen, dann können sie atmen, spielen, forschen. Auf Zeit.de finden Sie einen aktuellen, spannenden Bericht eines Vaters zu diesem Thema.

Muss ich ein „Gutmensch“ werden?

Manchmal sind auch wir Erwachsenen traurig, wütend, vielleicht sogar verzweifelt. Auch das gehört zu unserem Leben. Unser Umgang mit den scheinbar negativen Seiten des Lebens wird von unseren Kindern genau wahrgenommen (sogar aus dem Nebenzimmer ohne Sichtkontakt. Auch wenn wir flüsternd streiten). Lernen unsere Kinder also Leugnen, Verdrängung und Ausweichen von uns Eltern? Oder einen halbwegs ehrlichen Umgang mit unangenehmen Gefühlen? Geben wir ihnen die Chance zu verstehen? Ich finde, es gibt nichts zu verstecken. Auch Streit und Agression gehören zum Leben. Vielleicht können wir unseren Kindern vorleben, wie wir nach einem heftigen Streit wieder zurückfinden in die Zuneigung und Nähe. Ich finde, wir sollten ihnen nichts vormachen, was wir nicht halten können. Kinder wollen nicht geschont werden. Und wir müssen ihnen nichts „Besonderes“ bieten. Es kann nicht darum gehen, dass wir als Eltern alles richtig machen. Das wäre ganz und gar unmenschlich. Definitiv ein schlechtes Vorbild. Vielleicht beginnen wir mit einem freundlichen Blick auf uns selbst. Und danach auf unsere Kinder. Mal schauen, was die dann daraus machen.

Ein Gedanke zu „Rollenvorbild: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm

  1. hannah

    Danke für den Text. Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der man viel „nicht vor den Kindern“ machte. Ich habe rückblickend immer gemerkt, wenn etwas nicht gestimmt hat, konnte das aber nicht zuordnen oder schlimmer: ich habe die schlechte Stimmung zwischen meinen Eltern auf mich bezogen. Trotzdem ist es mir nicht leicht gefallen, es anders zu machen. Es gelingt mir auch nicht immer. Ich merke aber bei meinem Sohn, dass er sich entspannt, wenn er merkt, dass wir uns streiten, es um uns geht, die Liebe und der Wille zur Beziehung aber bleibt. Zugegeben: es hat viele Streits bedurft, denn wer einmal einen Papa verliert, der hat beim nächsten Streit Angst, noch einmal einen zu verlieren. Umso fester ist nun die Bindung zwischen uns allen, und ich hoffe, dass er dadurch für seine Freundschaften und seine Liebe im späteren Leben lernt, wie man sich streitet und versöhnt und gemeinsame Wege sucht.

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